3 Schritte zum Netto-Null-Gebäude

Der Boom des E-Commerce geht mit der Forderung nach hohen Nachhaltigkeitsstandards einher. Konsumenten wollen nicht nur nachhaltig gefertigte Produkte, sondern auch eine verantwortungsbewusste Logistik hinter ihren Onlineeinkäufen. Logistikimmobilien können dazu einen wertvollen Beitrag leisten.

Ein verändertes Verbraucherverhalten treibt den E-Commerce in Deutsch­land voran. 14,8 Prozent Umsatz­wachstum auf insgesamt 22,194 Milliarden Euro für den eutschen E-Commerce verzeichnete der bevh (Bundesver­band E-Commerce und Versand­handel) im dritten Quartal 2021 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. „Für den E-Commerce ist es das wachstums­stärkste dritte Quartal seit fünf Jahren,“, erklärt der bevh.

Im gesamten Jahr 2020 stieg der Brutto-Umsatz mit Waren im E-Commerce in Deutsch­land um 14,6 Prozent auf 83,3 Milliarden Euro, wie der Verband in seiner
E-Com­merce-Verbraucher­studie 2020 feststellt. „Die Corona-Pan-demie hat die Entwicklung des Handels hin zum E-Commerce deutlich be­schleu­nigt“, sagt Gero Furchheim, Präsident des bevh. „Diese Entwicklung wird sich nicht mehr umkehren“, erwartet er.

Doch was bedeutet dieses rapide Wachstum für die Umwelt? Wie wirkt sich die Expansion des E-Commerce auf die Logistik und letztendlich die CO2-Emissionen aus? Welche Rolle spielt die Berücksichtigung von Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmens­führung („ESG“-Prinzipien) im Markt für Logistik­immobilien?

 


Magnitude 314 im Magna Park Milton Keynes von GLP, Großbritannien.


Logistikimmobilien auf dem Weg zu Netto-Null

Es war ein signifikanter Schritt im Kampf für eine sauberere Umwelt: Im August 2020 wurde die erste Logistik­immobilie der Welt mit dem Nach­weis: Netto-Null-Kohlenstoff beim Bau gemäß den Vorgaben des UK Green Building Council verifiziert. Das Gebäude mit dem Namen „Magnitude 314“ des Entwicklers GLP steht in Groß­bri­tan­nien und setzt ein Zeichen für die Branche und für ihre Kun­den, die nach einer grüneren Logistik streben.

 


Magnitude 314 im Magna Park Milton Keynes von GLP, Großbritannien.

 

Das CO2-Analyseunternehmen Circular Ecology hat den CO2-Fußabdruck von „Magnitude 314“ kalkuliert. Bezugspunkt des Vergleichs sind die Zahlen für ein regulierungskonformes Logistiklager. Bei der Errichtung des Gebäudes wurden 25,8 Prozent des üblicherweise in Baustoffen gebundenen CO2 ein­gespart. Die für den Gebäudebetrieb geplanten CO2-Emissionen wurden um 26,9 Prozent gesenkt. Bei früheren Objekten sparte der Entwickler 12 Pro­zent des in den Baustoffen gebunde­nem CO2 und 15 Pro­zent der beim Gebäudebetrieb entstehenden CO2-Emissionen ein.

Über die CO2-Reduktion hinaus bietet das Gebäude der Kommune umgerechnet rund 5,8 Mil­lion­en Euro an sozialem und wirtschaftlichem Wert. Wie wurden diese Fortschritte erreicht? Welche Ziele werden angestrebt?

Vorreiter Europa

Die Europäische Kommission will Europa mit der Strategie des Europäischen Green Deals bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Außerdem gibt die EU-Verordnung 2019/1242 strikte CO2-Emis­sionsnormen für neue, schwere Nutzfahrzeuge vor. Selbstverständlich gilt die Forderung nach höherem Umweltschutz und niedrigeren CO2-Emissionen nicht nur für den Transport, sondern auch für die Infrastruktur im Hinter­grund, die Logistik­immobilien.

Auf dem Weg zu Netto-Null-Gebäuden zeichnen sich moderne Logistik­immobilien bereits heute durch viele nachhaltige Qualitäts­merk­male aus. Nachhaltige Logistikimmobilien sind kostengünstiger im operativen Betrieb und in der Wartung. Mieter können ihren Energieverbrauch, ihre CO2-Emis­sionen und ihren Wasserverbrauch reduzieren. Indem sie die Betriebskosten für das Gebäude senken, können sie sich Wettbewerbsvorteile sichern.

1. Nachhaltiges Baumaterial

Ausgangspunkt bei der Planung und Realisierung einer nachhaltigen Logistik­immobilie, ist das Grundprinzip der Kreis­laufwirt­schaft, angefangen bei verantwortungsbewuss­tem Sourcing. Hier einige Praxis­beispiele.

Verwendet wird vor allem nachhaltiges Baumaterial, beispielsweise Holz aus verantwortlich bewirt­schafteter Forstwirtschaft für Deckenkonstruktion und Innenausstattung sowie recycelte und recycel­bare Materialien. Dazu gehö­ren Recycling-Beton und Zuschlag­stoffe wie Hüttensand.

In Bau­stoffen enthaltenes CO2 wird durch die Wahl passender Materialien reduziert, etwa durch Verwendung von zementarmem Beton und Stahl statt Aluminium für die Wand­verklei­dung.

Um den Energieverlust beim Gebäudebetrieb zu minimieren, wird die nördliche Gebäudeseite oft nur geringfügig verglast. Für alle anderen Gebäudeseiten wird ein Konzept zur Beschattung aufgestellt.

Die in das Belüftungssystem integrierte Wärmerückgewinnung senkt Energieverbrauch und Heizkosten. Die Wandverkleidung besteht aus einem isolierenden Verbundplatten­system, das sich durch hohe Wärme­dämmung auszeichnet.

Mit Oberlichtern und großflächiger Verglasung oberhalb der Überlade­brücken werden 15 Prozent des Lichtbedarfs durch Tageslicht gedeckt. Im Innen- und Außenbereich wird außerdem mit LED-Be­leuchtung Energie gespart.

Auf dem Gebäudedach wird Regenwasser aufgefangen, das die Toiletten­spülungen versorgt. Mit wassersparenden Armaturen, beispielsweise Sprühköpfen an den Waschbecken, wird der Wasserver­brauch reduziert. Thermische Solaranlagen heizen Warmwasser vor, sodass Energie gespart wird.

Dazu wurde das Gebäude so konzipiert, dass Prinzipien des „Well Being“ umgesetzt wurden. Bei dem Ansatz handelt es sich um das erste evidenzbasierte System zur Messung, Zertifizierung und Überwachung von Gebäudeeigenschaften, die sich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter auswirken. Hier kommen besondere Konzepte zur Verbesserung der Luft, des Lichtes und der allgemeinen Arbeitsatmosphäre zum Tragen.

2. Sozialer Mehrwert

Die industrielle Fertigung wird in zunehmendem Maße digitalisiert. Deshalb bauen Pro­duk­tions­­­betriebe heute eher Kapazitäten ab als auf. Die Logistik­branche, der drittgrößte Wirt­schaftszweig in Deutsch­land, schafft hingegen Arbeitsplätze. Denn Mieter von Logistikimmobilien be­nötigen den Faktor Arbeit unter anderem, um die Servicequalität im expandierenden E-Com­merce zu gewähr­leisten und weiter zu erhöhen.

Verantwortungs­bewusste Planung passt Logistikimmobilien in ihr kommu–nales Umfeld ein. Vorausschauende Entwickler planen und realisieren die Gebäude mit dem Anspruch, Gemeinden langfristig zu fördern. Dafür gibt es vielfältige Möglichkeiten

Indem Kommunen Flächen für Logistikimmobilien ausweisen, können sie unterschiedliche wirtschaftliche und soziale Ziele erreichen: ihren Branchen­mix ausge­woge­ner gestalten, hochwertige Arbeitsplätze schaffen, die Dynamik der lokalen Wirtschaft erhöhen und durch nachhaltige Steuereinnahmen ihren Wohlstand sichern. Ein ausgewogener Branchenmix macht Ge­meinden angesichts der Digitalisierung unab­hängi­ger von neuen Marktanforderungen und den Schwankun­gen der Konjunktur.

Soziale Nachhaltigkeit kann völlig unterschiedliche Formen annehmen. Ein großer Entwickler etwa fördert Artenvielfalt durch die Ansiedlung von Bienenvölkern an ausgewählten deutschen Standorten, engagiert sich im vorbeugenden Katastrophenschutz in Japan und fördert die Gewinnung von Solarstrom in China.

3. Zertifizierte Nachhaltigkeit für Logistikimmobilien

ESG-Prinzipien werden die Logistikimmobilienbranche auf dem Weg zu immer nachhaltigeren Gebäuden weiter prägen. Auf diesem Wege spielen etablierte Branchenstandards eine maßgebliche Rolle. Alle Neuentwicklun­gen von GLP in Deutschland beispielsweise werden grundsätzlich gemäß den strengen Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Nach­haltiges Bauen (DGNB) realisiert und mindestens nach DGNB Gold zertifiziert.

Erst ein starker ESG-Fokus macht Neuentwicklungen für Investoren und Entscheider in Kommunen, die dort Flächenausweisun­gen vornehmen, attraktiv. Die Zertifizierung jedoch wird bei Immobilienbewertungen noch nicht hinreichend gewürdigt. So gibt es für zertifizierte, nachhaltige Immobilien keinen direkten Bonus. Stattdessen wird ein Malus durch eine schlechtere Wiedervermietbarkeit angenommen. Was fehlt, ist die Ver­gleichbarkeit zertifizierter und nicht zertifizierter Objekte in Bezug auf den Immobilienwert.

 


Patrick Frank ist Country Director für Deutschland bei GLP Europe. Zu seinem Tätigkeits­bereich gehört unter anderem die kontinuierliche Integration grundlegender ESG-Prinzipien in die Unternehmensstrategie.

 

Der Artikel erschien in der Ausgabe 01/2022 des E-Commerce Magazins.